Gehen dem deutschen Fernsehen die Darsteller_innen aus? – von Kerstin Stutterheim
oder: Gedanken zu überraschenden dramaturgischen Verknüpfungen in Krimi-Abenden des ZDF
Gerade vor wenigen Tagen haben wir, die Dozent_innen der HFF Konrad Wolf, wieder mehrere junge, talentierte und vielversprechende Schauspielstudent_innen verabschiedet, die bei uns für Film und Theater ausgebildet wurden. Und alle haben bis zu ihrem Abschluss bereits diverse Erfahrungen mit Fernseh- und Filmproduktionen sammeln können.
Aus Gründen, die hier nicht weiter erwähnt werden müssen, habe ich am 13. und 14.1.2012, also Freitag- und Samstag-Abend, nur Krimis im ZDF geschaut und dabei wirklich interessante Überraschungen erlebt: Mein Fernsehabend begann am Freitag mit „Forsthaus Falkenau„. Es gab viel fürs Herz, eine nette Patchwork-Familie mit ganz normalen Problemen, Natur mit internationalem Bezug, ein wenig Weltläufigkeit, auch sonst einige Ingredienzien, die eine überschaubare Geschichte noch spannend halten. Eine interessante Nebenfigur war die Molkereibesitzerin Maria Grandl, gespielt von Petra Zieser. Ihre Figur war eine erfolgsorientierte, steife Unternehmerin, die vor allem auf ihren sozialen Stand achtet und alles für das Renommee ihrer Molkerei tut, und dabei auch noch ihren auf der Schwelle des Erwachsenseins stehenden Sohn drangsaliert, der sich mehr einbringen soll. Alles geht gut aus, aber genug bleibt offen, um als Cliffhanger zu funktionieren.
Darauf folgte „Der Staatsanwalt – Mord am Rhein“ – und siehe da, die Figur der Maria Grandl wurde in leichter Variation weitergeführt. Jetzt ist aus der Molkereibesitzerin die mit allen Wassern gewaschene und PR-bewusste Bürgermeisterin Thea Sauer einer nahe Frankfurt liegenden Gemeinde geworden. Die gleiche Schauspielerin Petra Zieser mit gleicher Frisur, sehr ähnlicher Kleidung, gleichen Gesten, gleicher Haltung, sehr ähnlichem Charakter. Und ähnlicher, den Charakter bereits ankündigenden Namensgebung = Grandl und Sauer. Das ist eine tradierte Unsitte im deutschen Fernsehen. Vor vielen Jahren habe ich bereits als Lektorin mit den Schöpfern des damals neuen MDR-Tatorts darüber diskutiert, ob es wirklich nötig wäre, ihn ausgerechnet Ehrlicher zu nennen. Es blieb dabei, der ehrliche Kommissar hieß auch so.
Dann „Soko -Leipzig – Junggesellinnenabschied“ – ein Mord unter Frauen. Nach einigen mehr oder weniger dramatischen Verwicklungen nehmen das Team um Kriminalhauptkommissar Hajo Trautzschke gespielt von Andreas Schmidt-Schaller eine der Freundinnen, Catrin Kulik – sehr schön gespielt von Helene Grass, in die Mangel, die dann auch die von Neid und Hass zerquälte Mörderin war, die letztendlich im Affekt tötete.
Samstag, wieder ZDF, beginnt mit „Stubbe von Fall zu Fall„. Der Schauspieler und Synchronsprecher Lutz Mackensy als gleichrangiger Kriminalkommissar neben Stubbe lässt ja auch immer einen Hauch von CSI Miami und anderen bekannten US-amerikanischen Krimiserien mitschwingen, wo er uns u.a. als die Figur Horatio Caine im Ohr klingt. Eine wichtige Nebenrolle, der in dieser Folge nur ein kleiner, aber mit Spannung erwarteter Auftritt vergönnt war, spielt Wanja Mues als Helge und Freund der Tochter Stubbes. Nachdem dieser nun doch noch von seiner Fotoreportage aus Amman zurückgekehrt ist, kann er das vorher ausgeschlossene Doppelleben im anschließenden „Kommissar Stolberg“ ausleben. Hier ist er der neue Kollege Nico Schreiber, der das Team um Stolberg verstärkt. Auch er trägt trotz des Wechsels der Figuren wie Schauspielkollegin Petra Zieser am Vorabend beinahe dieselbe Kleidung wie bei seiner Rückkehr aus Amman in „Stubbe“, natürlich den gleichen gepflegten Dreitagebart und auch an der Frisur wurde nichts verändert. Zu dem Team gehört auch die aus den Donna-Leon-Verfilmungen bekannte Schauspielerin Catharina Brandt. Die nächste Überraschung – für mich als selten fernsehende Zuschauerin – bestand in der Wiederbegegnung mit der Darstellerin der Mörderin vom Vorabend als Kollegin Rosinski. Helene Gras hat eine wenig von ihren schauspielerischen Fähigkeiten fordernde Füll-Figur im Ermittlerteam zu geben, die gerne Minirock und offene lange Haare trägt.
Nicht, dass ich den Schauspieler_innen diese Rollen nicht gönnen würde, aber haben wir wirklich so wenige gute Darsteller, dass man an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mehrere, und dann auch noch oft zum verwechseln ähnliche oder komplett konträre Figuren von den gleichen Darstellern sieht? Dass junge talentierte Männer Rollen wie diese ablehnen würden oder Frauen im mittleren Alter sich vor Rollenangeboten nicht retten können und Redaktion und Produktion stets die gleichen Darsteller_innen besetzen müssen, kann ich mir nicht vorstellen. Woran also liegt es, dass das ZDF sich solch lustige bis irritierende Kombinationen ausdenkt? Diese Doppelbesetzungen scheinen meiner Ansicht nach noch das Gefühl zu verstärken, dass man sowieso immer das Gleiche sehen würde. Vielleicht soll damit ja auch eine Art Familiengefühl vermittelt werden und eine besondere Art der Zuschauerbindung erreicht werden. Für mich jedenfalls steht fest, dass ich nie wieder mehrere Abende nacheinander mehrere ZDF-Produktionen schauen werde. Dann doch lieber Kino, DVD, die Konkurrenz oder doch ein gutes Buch.
Kerstin Stutterheim