Hitchcock’s Spellbound – eine kurze, ausschnitthafte Analyse über die moderne Dramaturgie dieses Films – oder: Wie raffiniert Alfred Hitchcock von der dramatischen Struktur ablenkt
Spellbound (USA 1946) war schon zum Zeitpunkt seines Erscheinens ein besonders erfolgreicher Film, auch wenn andere, spätere Filme Alfred Hitchcocks – wie Psycho (USA 1960) oder Birds (USA 1963) – eher einen Kultstatus erlangt haben. Vom Kassenerfolg her war er den zweiterfolgreichste der vierziger Jahre, für 6 Oscars nominiert, hat einen gewonnen.[1]
In den Gesprächen mit Francois Truffaut – Wie haben Sie es gemacht, Mr. Hitchcock? – nimmt der Film nur einen geringen Raum ein. Truffaut mag ihn nicht besonders, hält Gregory Peck für eine Fehlbesetzung[2] und Hitchcock antwortet darauf, dass der Film wohl doch kompliziert sei. Vielleicht mag ich ihn deshalb besonders, mich reizt die raffinierte Struktur dieses Films, die Kombination von analytischem Drama mit einer klassischen Liebesgeschichte, wie sie bereits das pièce bien faite gehandhabt hat. Das Besondere des Films liegt darin, dass Hitchcock hier bereits mit einer sehr modernen Dramaturgie operiert hat, die man eben kurz gefasst als ‚kompliziert‘ bezeichnen kann – oder, wie ein Donald Spoto Ingrid Bergman zitiert – mit „that touch of art“[3]. Es werden zwei verschiedene Geschichten miteinander verflochten, zwei Genrekonventionen kombiniert. Die Basiserzählung, die dem Film die Struktur gibt, ist die um Mord, falsche Verdächtigungen und die Jagd nach einem Mörder. Da aber die Liebesgeschichte stark emotional affektiv wirkt, gelingt es Hitchcock die dramaturgische Struktur, also die explizite Dramaturgie[4], des Films mithilfe von falschen Fährten und Emotionen auslösenden Affekten zu überdecken. Dramaturgisch gesehen kann man ihn auch als „offen erzählt“ einstufen, da er Raum für unterschiedliche Interpretationen bietet. Das Publikum kann sich von der Liebesgeschichte in den Bann schlagen lassen, es kann sich auf Interpretationen in Bezug auf Psychoanalyse – mit Diskussion unterdrückter Sexualität[5] (die schon wegen der damaligen Zensurregelungen unmöglich gezeigt werden konnte) oder der Darstellung des Vater- beziehungsweise Ödipuskomplexes und/oder des Verhältnisses von Emotionalität und Rationalität als Darstellung von Freuds These vom Ich und Es.
In der weit gefächerten Literatur zu Hitchcock wird erwähnt, dass der Anstoß zu dem Projekt vom Produzenten Selznick ausging, der sich mit einen Film über Psychoanalyse einen erneuten großen Kinoerfolg erhofft hat. Hitchcock brachte die Idee und die Filmrechte[6] des Romans The House of Dr. Edwardes von Francis Beeding (einem Pseudonym für das Autorenpaar John Leslie Palmer und Hilary Eden St. George Sanders) ein[7], Agnus MacPhail adaptierte ihn und Ben Hecht schrieb das Drehbuch, das auf US-amerikanische Verhältnisse und Hollywood-Gepflogenheiten, vor allem aber auf den so genannten Hitchcockstil abgestimmt war. Hitchcock interessierte an diesem Roman vor allem der Murder-Mystery-Aspekt. Mit Agnus MacPhail, dem damaligen Chefdramaturgen der Gaumont British, hatte Hitchcock zuvor bereits zusammen gearbeitet; Ben Hecht war ein angesehener wie versierter Journalist und vor allem Drehbuchautor, der unter anderem das Drehbuch für Stagecoach (USA 1936) und für Selznick das Drehbuch für Gone with the Wind (USA 1939) geschrieben hatte, dem erfolgreichsten Film dieser Dekade. Der Film weist nur sehr geringfügige Abweichungen vom Drehbuch[8] auf . Für Selznick war spätestens zum Ende der Dreharbeiten absehbar, welch besonderen Film Hitchcock hier geschaffen hat, so dass im Titel „Hitchcock’s Spellbound“ zu lesen ist.[9]
1944/45, im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs hat sich bereits vieles im Alltag der Staaten verändert, die vom Krieg betroffen oder an den Kampfhandlungen beteiligt waren. Nicht nur im Alltag, sondern selbst in Institutionen, die scheinbar unabhängig vom Kriegsgeschehen arbeiten, nehmen Frauen immer mehr und bedeutendere Positionen ein. So auch in der Psychiatrischen Klinik, in der die Filmhandlung von Spellbound angesiedelt ist. Diese Klinik wie auch die Handlung unterscheiden sich sehr von der aus der Romanvorlage. The House of Dr. Edwardes spielt im Tal des Teufels in den Schweizer Alpen. Der zentrale Ort des Geschehens in der Romanvorlage ist eine der ersten psychiatrischen Kliniken überhaupt, die auf besondere, besonders außergewöhnliche Fälle spezialisiert ist. Die junge Ärztin, die dorthin reist, um ihre erste Stelle anzutreten, ist noch sehr im Zweifel über ihre Befähigung als Ärztin, auch sonst wenig selbstbewusst. Die Handlung des Romans entspricht eher einer Gothic Novel. Hier wird beinahe ein okkulter Kampf zwischen Teufel und Gott ausgetragen, mit Mitteln wie Hypnose und Indoktrination gegen die noch junge und umstrittene medizinische Zunft der Psychoanalyse. Vor allem die Grundkonstellation der Konkurrenz um die Leitung der Klinik und die Bedeutung der fatalen Verwechslung von Arzt und Patient werden übernommen.
Schon während der Arbeit am Drehbuch, in den Produktionsvorbereitung gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern psychoanalytischer Gesellschaften und dem Produzenten. Psychoanalytiker und Psychiater befürchteten eine missliche Darstellung oder Beschädigung der Psychoanalyse. Obwohl Selznick eine Fachberaterin hinzugezogen hat, befürchteten die Mediziner das Schlimmste. Als Kompromisslösung findet sich zu Beginn der Handlung der kurze Einführungstext mit einer knappen Erläuterung der Bedeutung der Psychoanalyse und ihrer Möglichkeiten.[10] Dennoch ist es selbstverständlich kein Lehrfilm über Psychoanalyse.
„The idea of combining a mystery in the Hitchcock tradition while showcasing psychoanalysis as a means of resolution put the film into a betwixt and between category. While a professional like Dr. Karl Memminger would lament that the film was not a true depiction of the profession, Hitchcock clashed with Spellbound’s psychiatric consultant, May Romm, over the issue of professional realism. When Romm challenged the director over a scene she believed was not professional correct, Hitchcock responded by noting, ‘This is a movie and it does not have to be accurate.’ To Hitchcock the dramatic suspense, the tense fabric of an evolving story, was the supreme catalyst motivating his effort. This was not, after all, a documentary about psychiatry. It was a mystery intertwined with a love story“[11]
Im Folgenden möchte ich hier nur auf einige ausgewählte Szenen eingehen, dabei die explizite und implizite Dramaturgie des Films analysieren und diskutieren.
Dramaturgisch gesehen gehört der Film zum analytischen Drama, denn es gibt ein Ereignis, dass sich vor Beginn der Handlung ereignet, das als Geheimnis die Handlung anstößt und ihren Verlauf bestimmt. Wie schon erwähnt, folgt es der Dramaturgie und den Konventionen des pièce bien faite beziehungsweise well made play. Es handelt sich dabei um einen Theatertext, der nach einem bestimmten dramaturgischen Schema gebaut ist und mit einer relativ konstanten Grundpersonage der sogenannten besseren Gesellschaft operiert. Die Handlung verläuft in kurzen Szenenwechseln, die oft gegeneinander gesetzt werden. Es ist im Aufbau der Intrigen und der Motivierung des Ablaufs handwerklich perfekt – dem Grundmuster des analytischen Dramas ähnelnd – gebaut. Besondere Bedeutung erhält der pointenreiche Dialog. Mindestens der erste Akt wird von der Vergangenheit einer oder mehrerer Personen bestimmt. Heinz Kindermann spricht in Bezug auf das gut gebaute Stück von der „Dramaturgie des Überraschens“ und verwendet die Bezeichnungen Intrigen-Komödie und Sittenkomödie. Er beschreibt die Autoren als „Meister der Spannung und der theatralischen Intrigengestaltung, als Meister auch der hundertfach verwandlungsfähigen Verknüpfung von Aufregung und Überraschung.“[12] Die Handlungen sind überwiegend psychologisch motiviert. Themen sind vor allem: die Familie, die Problematik des unehelichen Kindes, das Schicksal unverschuldet oder selbstverschuldet enterbter Menschen, das Schicksal unverschuldet eines Verbrechens bezichtigter Personen, aber auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft und der Wiederspruch von Schein und Sein einer Person.[13]
Die zentrale Handlung ist der aufzuklärende Mordfall, der implizit – sowohl in der Motivation für die Tat als auch in der für die Aufklärung – die Frage nach Veränderung und Neuanfang oder Bewahrung und Weiterführung des Bestehenden in sich birgt. Wird es dem alten Leiter der Klinik gelingen, seine Amtszeit zu verlängern und alles so weiter zu führen, wie in den letzten Jahren – oder wird ein Jüngerer, der einen anderen, moderneren Ansatz verfolgt, ihn verdrängen und seine Stelle einnehmen, weil sich seine Methoden und seine Kraft erschöpft haben?
In der folgenden dramaturgischen Analyse nutze ich tradierte Begriffe und Definitionen aus der Ästhetik, zu der die Dramaturgie zu zählen ist. Diese Begriffe haben sich über lange Zeiträume bewährt und sind zum Teil älter als die so griffig wirkenden US-amerikanischen, deren Vorlage sie außerdem oft sind. Daher verwende ich im Folgenden die in der europäischen Dramaturgietradition bewährten Begriffe.[14]
Der einleitende Akkord[15]: Zunächst stimmt Hitchcock das Publikum mit einer Ouvertüre von drei Minuten auf den Film ein, dabei ein Porträt Gregory Pecks zeigend, das von Leuchtreflexen so umrahmt ist, dass die Augenpartie hervorgehoben wird – ein Standbild aus der morgendlichen Szene bei Dr. Brulov, dem Beginn der Traumdeutung.
Titel und Zitat: „The Fault … is not in our stars, but in ourselves…“ Shakespeare[16]
Auf einem Standbild des Eingangs zu der Klinik Green Manors läuft der Text, der die Psychoanalyse knapp erklärt.
Exposition: Einführung von Ort und Zeit, Thema und Genre.
In der ersten Sequenz spielen Frauen Karten, die Frisuren und Kleiderschnitte lassen die Zeit, 40er Jahre des 20. Jahrhunderts ungefähr erahnen. Eine Schwester, ebenfalls in einer Tracht und vor allem Haube dieser Zeit bittet eine Patientin, Miss Carmichael, zu Dr. Petersen. Miss Carmichael bedauert diese Unterbrechung, weil sie gerade so ein gutes Blatt hatte. Das Kartenspiel taucht später in der Traumszene als Erkennungsmerkmal für Green Manors wieder auf. Ein Pfleger soll sie begleiten. Die Schwester warnt ihn noch vor ihrem gefährlichen Zustand. Die Patientin spielt ein verführerisches Spiel mit dem Pfleger, den sie dann auch kratzt. Hier wird visuell bereits das Thema für den von Gregory Peck gespielten Charakter eingeführt – die parallelen Linien, die auf Schmerz und Verwundung hinweisen.
Die Ärztin, in deren Zimmer sie geleitet wird, sitzt zunächst schreibend hinter ihrem Schreibtisch, gespielt von Ingrid Bergman, weißer Kittel, Brille, die Haare hochgesteckt, raucht. Die Patientin provoziert nun die Ärztin, lehnt Psychoanalyse ab und spricht somit die (damals) landläufige Meinung über Psychoanalyse aus. 1944 gab es in Los Angeles eine von Theodor W. Adorno angestoßene Debatte über Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit der Psychoanalyse. Die Patientin bringt mit ihrem Ausbruch somit auch den damals öffentlich geäußerten Skeptizismus gegenüber der neuen Zunft in eine dramatische Form.[17] Die Ärztin setzt sich geduldig lächelnd zu ihr, geht auf ihre Argumente ein, lächelt weiter. Findet ein leicht wirkendes Bild für die Psychoanalyse. Die Patientin wirkt weiter aggressiv gegen die Ärztin, wenn sie sagt „You’re right. I’m lying like mad“. Aber sie meint gar nicht die Ärztin, sondern spricht über ihr Verhältnis zu Männern. Nach einem kurzen Dialog über ihren Hass und ihre Aggressionen gegenüber Männern wird Miss Carmichael dann wieder aggressiv gegen Dr. Petersen. Diese klingelt nach dem Pfleger, der Miss Carmichael abholt, gleichzeitig tritt eine neue, wichtige Nebenfigur ein, Dr. Fleurot – dem sich Miss Carmichael gleich mit falschem Schmeicheln zuwendet.
Das Auftreten Dr. Fleurots und der folgende Dialog sind ausgesprochen aufschlussreich. Nebenfiguren bereichern die Handlung, in dem sie uns, das Publikum, mit Informationen über die Hauptfigur und die Situation versorgen, und so die Handlung in ein Umfeld einbetten.[18] Doch nicht in jedem Fall sind die Äußerungen über die Hauptfigur für bare Münze zu nehmen. Manchmal bedient die Nebenfigur auch eher die Einbettung der Handlung / der Hauptfigur in ein spezifische Umfeld oder das Thema. In dieser Hinsicht ist die Figur des Dr. Fleurot sehr aufschlussreich und ergiebig. Dramaturgisch gesehen ist diese komödiantisch geprägte Sequenz jedenfalls interessant, denn gewissermaßen ist sie ein Echo auf die gerade gesehene und bereitet den Boden für die Ankunft des vermeintlichen Dr. Edwards. Miss Carmichael bezeichnet Dr. Peteresen vor Dr. Fleurot, den sie sofort darauf anschmachtet, als „Miss Frozen-Puss“. Aus einer sich überlegen fühlenden Haltung heraus äußert er sich kritisch über die Entscheidung, dass sie, Dr. Petersen, diesen Fall, „a love veteran“, behandeln soll, obwohl sie diesbezüglich keine Erfahrung habe. Sie weist das von sich. Ganz offensichtlich kann und mag er nicht verstehen, dass sie, die weibliche Kollegin, ebenso professionell arbeitet wie er und nicht auf eine gesicherte Heirat mit einem Kollegen aus ist, nach der sie sich ganz ihm, Haus und Familie widmen könnte. Wie absurd mutet die Argumentation an, dass sie mangels Erfahrung eine Frau wie Miss Carmichael nicht behandeln könne, aber er als Mann kann das selbstverständlich? Obwohl er vermutlich auch selber noch nie eine liebestolle Frau war, wie die deutsche Synchronfassung ihren Zustand bezeichnet. Abgesehen davon, dass er offensichtlich nicht Dr. Petersens Typ ist, flirtet er weiter auf recht provozierende Art mit ihr, sie nimmt es amüsiert wie abweisend hin. Mit einer weiteren kleinen Beleidigung geht er Richtung Tür, bevor er noch eins drauf setzen kann, tritt ein weiterer Mann ein – Dr. Murchison. Fleurot tritt ab, es folgt ein für die explizite und vor allem die implizite Dramaturgie des Films aufschlussreicher Dialog zwischen Dr. Petersen und Dr. Murchinson.
In diesem Dialog wird eine Vertrautheit, kollegialer Respekt und gleichzeitig ein freundschaftliches Verhältnis deutlich. Dr. Murchinson kündigt die Ankunft seines Nachfolgers an. Die sich daraufhin entwickelnde Unterhaltung informiert uns, das Publikum, darüber, dass Murchinson noch der direkte dieser Klinik ist, aber nun abgelöst werden soll. Murchinson selber sagt: „The old must make way for the new.“[19] Besonders raffiniert gesetzt scheint mir hier diese Äußerung Dr. Petersens, da diese die tragische Erkenntnis am Ende des Films als persönliche Enttäuschung über die Täuschung affektiv unterstützt und aus ihr eine persönliche Enttäuschung der Hauptfigur macht, die emotional intensiver wirkt als die Gewissheit, das Geheimnis gelöst zu haben: „I shall always remember your cheerfulness today – as a lesson in how to accept reality, Dr. Murchison.“[20] Aber vielleicht war er nur so entspannt und freundlich, weil eigentlich kein Nachfolger auftauchen könnte? Doch ihre kurze Unterhaltung wird unterbrochen, der Pfleger bringt die Post und einen neuen Patienten. Dieses ist ein altbewährtes dramaturgisches Mittel des analytischen Dramas sowie des well-made-play, dass kurz bevor die Wahrheit ausgesprochen werden kann oder man dem Geheimnis näher kommt, eine Person hinzutritt, die ein Weiterreden verhindert, oder eine andere Störung den Dialog unterbricht.
Während Dr. Petersen sich ihres Patienten Garms annimmt, begrüßen die Herren den gerade angekommenen neuen Direktor. Wenn Murchinson eintritt und den Mann erblickt, schreckt er von allen unbemerkt einen kleinen Moment zurück, bevor er auf ihn zugeht und ihn freundlich begrüßt.[21] Hier findet sich die erste Stufe des ‚erregenden Moments‘[22] – dieser kleine Moment des Zurückschreckens sollte unsere Aufmerksamkeit schärfen und unsere Neugierde wecken. Der als Dr. Edwards begrüßte Psychiater hat ein herausragendes Buch über den Schuldkomplex geschrieben. Dieser Verweis, wie auch der von Petersen behandelte Patient Garms bereiten auf andere Art den Boden für die von Gregory Pick gespielte Figur. Dieser Patient leidet an Schuldgefühlen für eine Tat, die er nicht verübt hat.
Da Dr. Petersen sich dem Patienten gewidmet hat, während die Herren den neuen Direktor begrüßten, sieht sie ihn zum ersten Mal, wenn er sich zum Lunch an ihren Tisch setzt – und verliebt sich auf den ersten Blick. Wie oben schon erwähnt, wird durch die Zeichnung auf das Tischtuch und die unangemessene Reaktion des neuen Arztes auch die erste Irritation ausgelöst. William Hare schreibt über diese Situation:
„Once Gregory Peck makes his arrival as Dr. Edwardes, the person selected by Dr. Murchinson to replace him at Green Manors, it becomes immediately obvious that the presumed frigidity of Dr. Petersen was more perceived than real. The moment she observes the handsome, soft-spoken Peck, Bergman’s eyes become alive with electricity. One penetrating close-up is all viewers need to see to know she has found a man who definitely strikes her fancy.
When the staff members sit down together for lunch, to get acquainted with the sanitarium’s new director, an element of conflict is presented. This is the established norm for a Hitchcock romantic relationship – the aura of mystery, the pursuit of romance amid a sea of conflict. Petersen learns immediately that ‚Dr. Edwardes‘ is a troubled young man when she makes some lines on a napkin during a friendly luncheon conversation. As soon as he observes the indentations she makes with her fork his face becomes riddled with tension. She does not become angry and does not appear notably surprised. Here is a thorough of professional who realizes that something is wrong, which intrigues on her, on top of which she is motivated by her attraction toward the sensitive and highly vulnerable newcomer.“[23]
An der Staffelung der sich aufeinander beziehenden und einander ergänzenden Äußerungen der verschiedenen Figuren kann man sehr gut nachvollziehen, wie hier die explizite mit der impliziten Dramaturgie verknüpft ist. Über die Einführung der Figuren, einer ersten Charakterzeichnung, aber auch Informationen zu Ort und Hintergrund, wird implizit das Thema und auch die Motivierung der Handlung mit Nachdruck eingeflochten.
„Skilled veterans Hitchcock and Hecht set the stage early with the revelations within just a small circumference of their ultimate story compass. Examined from this standpoint, the first two scenes of Spellbound are highly significant for their dramatic enhancement and accompanying economy of exposition.“[24]
Es geht hier um Alt gegen Neu, um das Bemühen eine Machtposition und Bewährtes gegen Nachrückende mit anderen Meinungen, die lange gehegte Gewissheiten in Frage stellen könnten, zu erhalten; konkret geht es um medizinische Reputation und die Stellung in der Hierarchie einer Männergesellschaft. So gesehen kann es auch nur der weiblichen Hauptfigur gegeben sein, die Spiele um die Macht aufzubrechen und aufzuklären, da sie außerhalb der eingespielten Rituale agiert. Dies sieht nicht nur im Rückblick modern aus, muss aber auch im Kontext der späten Kriegsjahre gesehen werden, in denen die Frauen in den USA – und anderswo – mehr und mehr in die Arbeitswelt integriert wurden, zunächst weil sie dringend gebraucht wurden, dann aber auch, weil sie als Fachkräfte mehr und mehr geschätzt wurden. Deutlich wird die Außenseiterstellung, das Gegenüber der Männergruppe und der einzelnen Frau, mit der damit verbundenen Art, Annahmen zu treffen und sich Vorstellungen von der Welt zu machen, in der Szene, in der Petersen gerade vom Spaziergang zurückgekehrt ist. In der Klinik eingetroffen hört sie von einem Vorfall mit ihrem Patienten Garms und eilt direkt, aber etwas zerzaust vom Ausflug, zu der beim Dinner versammelten Kollegenrunde, die gerade ihren Fantasien über sie und den neuen Direktor freien Lauf gelassen haben. Auch in ihrer Gegenwart sprechen die Herren über sie, statt mit ihr. Dr. Fleurot tut sich hier erneut besonders hervor, der wie bereits in der Exposition, die er im Dialog in Erinnerung bringt, Theorien über Dr. Petersen entwickelt, die daneben treffen. Dies kulminiert in ihrem selbstbewussten Konter auf Dr. Fleurots Aufdringlichkeit und die Haltung der Herren:
„Would you, really? Your diagnosis is as usual – wrong, Doctor Fleurot. Not hot dogs. Liverwurst.
(turns to go)
I’m very sorry I have to leave this nursery. I must see Mr. Garms.“[25]
Mit dieser Szene wird die Bedrohung durch den Neuen auf zwei Figuren verteilt. Der alte Direktor muss diesem neuen, so jungen Spund weichen, der auch noch gleich am ersten Tag mit der einzigen Frau des Teams sowohl gemeinsam einen Patienten bespricht, also bisherige Gepflogenheiten aufhebt. Noch dazu geht der Neue mit Dr. Petersen spazieren, statt sich der Männerrunde anzuschließen und deren Rituale kennenzulernen, um seine Führungsrolle nicht nur administrativ, sondern auch durch Bewährung in der Gruppe anzueignen. Dr. Fleurot ahnt – von den anderen Herren sekundiert -, dass ihm hier ein Rivale die von ihm lange angebetete Dr. Petersen wegnimmt. Sehr gekonnt wird so ein Bogen von einem der ersten Bilder zu dieser Sequenz geschlagen. An der Entwicklung entlang dieses Bogens kann man nachvollziehen, wie dramaturgisch gekonnt die Handlung entwickelt wird. Nahezu alle wichtigen Momente und Aspekte werden vorbereitet und weiter geführt, mindestens von zwei Figuren ins Spiel gebracht oder verkörpert, so mindestens zwei Mal erwähnt oder gezeigt. Wichtige Situationen werden von scheinbar nebensächlichen vorbereitet. Die Form der zweistufigen Führung einer Situation oder der Vorbereitung und Realisierung, einer ersten Stufe und einer zweiten Stufe eines Ereignisses oder Themas, einer Spiegelung einer Szene ist eines der Geheimnisse eines gut gebauten Films. Ich betone hier ausdrücklich den Film als endgültigem Werk, da diese Elemente nicht unbedingt verbal gestaltet sein brauchen, sondern auch im Sound oder über die Bilddramaturgie geführt werden können. Eine gute Drehbuchautor_in kann diese antizipieren – vor allem, wenn es eine so enge Zusammenarbeit, wie im Fall Hecht / Hitchcock gibt -, aber im Grunde werden sie mit der Inszenierung realisiert – weshalb Dramaturgie im Idealfall als Produktionsdramaturgie gehandhabt werden sollte und nicht mit Drehbuchratgebern gleichgesetzt werden kann. Die Kunst besteht darin, wie Jean-Claude Carrière es bereits formuliert hat, in bewegten Bildern zu erzählen. Das bedeutet, dass die Bildlichkeit, Gestus und Montage, wie alle anderen Elemente der Filmsprache dem/der Autor_in wohl vertraut sein müssen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist der Rhythmus einer Filmerzählung. Und dieser besteht auch darin, dass Ereignisse nicht einmal und plötzlich stattfinden, sondern einen Auftakt und einen Nachklang haben sollten. Wichtige Aspekte der impliziten Dramaturgie erfordern einen Rhythmus in der expliziten Dramaturgie – also, der Struktur, dem Bau einer Filmerzählung. Und so bietet es sich an, Situationen von Nebenhandlungen zu nutzen, eine wichtige Situation der Haupthandlung implizit vorzubereiten, d.h. thematisch, als eine Art Metapher.
So fungiert zum Beispiel in Spellbound die Szene, in der Dr. Petersens ihrem Patienten Garms den Schuldkomplex zu erklären versucht, als Vorbereitung für die in dieser Szene anwesende von Gregory Peck gespielte Figur.
„People often feel guilty ever something they never did. It usually goes back to their childhood. A child often wishes something terrible would happen to someone. And if something happen to that person the child believes he has caused it. And he grows up with a guilt complex – over a sin that was only a child’s bad dream.“[26]
Dass dieser Patient dann Dr. Fleurot angreift und sich anschließend selber umzubringen versucht, ist ebenfalls von dramaturgischer Bedeutung. Dieses Ereignis klingt nach, wenn Gregory Peck mit einem Rasiermesser in der Hand die erst durch das Apartment zum Bett von Constance und dann weiter die Treppe hinunter zum alten Arzt geht. Diese Situation wirkt trotz des von Dr. Petersen in ihn ausgesprochenen Vertrauens gefährlich, weil man am Anfang erlebt hat, wozu ein Mann mit Schuldkomplex in der Lage ist. Auch die vorher von Dr. Fleurot ausgesprochene Warnung, dass ein Mann mit Schuldkomplex gefährlich sein könnte, erhöht die Spannung auf Grund dieser vorherigen Situation in der Nebenhandlung. Dieses Mal scheint man Dr. Fleurot Glauben schenken zu müssen, zumal Dr. Petersen seine Aussage als richtig bestätigt. Die Spannung der Treppenszene ergibt sich aus der Handlung der Nebenfigur in der Exposition und den Ereignissen, die im zweiten Akt der Romanze einen tragischen Aspekt gegenüberstellen.
Neben der Entfaltung des Themas auf der impliziten Ebene gibt es verklammernde Elemente in der Bilddramaturgie – die Streifen, die symbolisch für ein bedrohliches Ereignis stehen. Wie bereits erwähnt, werden diese bereits sehr früh eingeführt und stehen in dieser ersten Situation bereits für ungerecht zugefügte Gewalt und damit verbundenen Schmerz. Diese Linien sind eng verbunden mit der Nebenfigur ersten Ranges – dem von Gregory Peck gespielten Arzt mit Gedächtnisverlust und Schuldkomplex. Dieser fungiert hier – wenn man das erste Bild und die Traumsequenz für eine Assoziation nutzt – als Joker. Er führt zur Lösung des Geheimnisses, das sich aus einem vor Beginn der Handlung stattgefundenen Ereignis ergibt. Er verkörpert das bedrohliche Neue – nicht nur in Bezug auf den Direktor der Klinik, sondern ebenso in Bezug auf Dr. Fleurot, der sich schon länger bemüht, Dr. Petersen für sich zu erwärmen. Diese Figur und der damals noch sehr junge Gregory Peck, für den diese Figur in Spellbound seine zweite große Filmrolle war, war ein Außenseiter, ein Fremder – und der Vertreter einer neuen Generation mit einer fundierten Ausbildung UND Kriegserfahrung. Dem versierten Paar Hecht/Hitchcock gab diese Figur und ihr Darsteller die Möglichkeit, diese Liebesgeschichte glaubhaft zu erzählen und so von die Konstruktion der Aufklärung des Geheimnisses, den Mystery-Aspekt; und die Jagd nach einem Mann mit Hilfe dieser Liebesgeschichte beinahe zu verdecken. Jedenfalls scheint die Emotionalität der Liebesgeschichte und die gelungene Konstruktion emotional so stark zu wirken – auch heute noch, sogar bei Filmstudent_innen -, dass die dramaturgischen Elemente des analytischen Dramas nicht in gleichem Maße wahrgenommen werden.[27]
Die sich aus den Kratern auf dem Handrücken fortsetzenden parallelen dunklen Linien auf weißem Grund sind ein visuelles Signal, dass mit dem Schuldkomplex der von Gregory Peck gespielten Figur verbunden ist. Das Auftauchen oder sichtbar Werden dunkler Linien auf weißem Grund führt bei dazu, dass ihn die verdrängten Erinnerungen affektiv überwältigen, ihm die Sinne schwinden oder er sich irrational verhält. Wenn Dr. Petersen für ihn einen Entwurf für ein Schwimmbecken mit der Gabel auf das weiße Tischtuch kratzt, lassen ihn die so entstehenden Linien lauthals Leinentischdecken verdammen, später wird er beim Anblick ihres Mantels ohnmächtig und der Rasierschaum auf dem Pinsel lässt ihn mit dem Rasiermesser in der Hand schlafwandeln. Schlittenspuren auf dem Schnee führen die Psychoanalytiker der Lösung näher und eine Ski-Abfahrt lässt die Erinnerungen zurückkehren, die Lösung des Geheimnisses ist zum Greifen nah, das Happy End der Liebesgeschichte gesichert.
Um die Besonderheit der Kombination der Liebesgeschichte mit der Mordaufklärung besser nachvollziehbar darstellen zu können und den Text nicht zu lang werden zu lassen[28], möchte ich hier nur noch auf zwei weitere dramaturgisch relevante Situationen des Films eingehen: die Etablierung des Konflikts und die Szene der Anagnorisis und Peripetie – also Erkenntnis und Umschlag der Handlung, was in den US-amerikanischen Ratgebern als Midpoint zusammengefasst wird.
Werfen wir jetzt einen Blick auf die Etablierung des Konflikts, die hier elegant über mehrere Situationen entwickelt wird, wobei auch die visuelle Klammer durch den Lichtstreifen unter der Tür des Direktors genutzt wird.
Immer noch davon umgetrieben, dass mit dem Mann, der sich als Dr. Edwardes vorgestellt hat, etwas nicht stimmt, steht sie spät am Abend noch einmal auf und begibt sich in die obere Etage, in Richtung Bibliothek. Die Treppe hochsteigend sieht sie Licht aus seinem Wohnraum durch den Türspalt über der Schwelle scheinen. Leise geht sie an seinem Raum vorbei, geht in die Bibliothek und zieht das signierte Buch aus Regal. In einem Close Up wird diese Signatur hervorgehoben. Wenn Dr. Petersen nach einigem Zögern doch in das Zimmer des Dr. Edwardes geht und ansetzt, dass sie mit ihm über sein Buch reden möchte, nimmt man an, dass jetzt eine Klärung des Problems ganz nah wäre. Statt dessen wird die Problematik der Identität hier ganz anders zur Sprache gebracht, nämlich ausgehend von der Hauptfigur – bevor sie sich in der von Gregory Peck gespielten Figur manifestiert.
„It is quite remarkable to discover that one isn’t what one thought – one was. I mean, I have always been entirely aware of what was in my mind.“[29]
Obwohl diese Sätze die Liebesgeschichte fortführen, so beinhalten sie doch auch die Frage nach der Identität und einen Bezug auf den eigentlichen Konflikt des Films, wer der Mörder des wirklichen Dr. Edwardes war, wer die Person ist, die sich für Dr. Edwardes ausgegeben hat und nun seinen Platz einnimmt. Diese Steigerung der Liebesgeschichte wird dann sofort wieder gebrochen und auf das eigentliche Thema zurückgeführt, wenn er am Ende der Sequenz wegen der Streifen des Morgenmantels von Dr. Petersen erschrocken zurückweicht und erstarrt. Das kurze Gespräch über seine Überreizung, den Mantel, die dunklen Linien, dass er krank sei, wird durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. Hiermit wird das unerklärliche Verhalten des falschen Dr. Edwardes mit der Gefahr, die von einem psychisch kranken Mann ausgehen kann, direkt verknüpft. Denn das Telefonat unterrichtet darüber, dass Garms versucht hat, Dr. Fleurot umzubringen und dann, sich die Kehle durchzuschneiden, nun operiert wird.
Im Operationssaal wird die Aufmerksamkeit von dem Patienten, der gerettet werden wird, zurück auf Dr. Edwardes gelenkt, bei welchem durch das strahlend weiße Licht eine neue Attacke ausgelöst wird. Er halluziniert und identifiziert sich mit dem Schuldkomplex des Patienten, ist von seiner Tat überzeugt.
Der Rhythmus wechselt hier von Edwardes über Garms zurück zu Edwardes und setzt die beiden Figuren so in eine enge Beziehung. Nun wird Edwardes zum Patienten, von Dr. Petersen professionell beobachtet und betreut. Ihre Professionalität steht ihrer Emotionalität nicht entgegen oder schließt diese aus, sondern ihre Professionalität ermöglicht es ihr, beides auszuleben und voneinander trennen zu können, ohne dass – wie es sich Fleurot stellvertretend erhofft – gelebte Emotionalität ihre Professionalität als Psychiaterin und die damit einhergehende Menschenkenntnis beeinträchtigt.
Nach seinem Zusammenbruch wurde er zurück in seinem Wohnbereich gebracht, liegt im Bett, Petersen wacht neben ihm. Nun erst schließt sich der Bogen zum Beginn dieser Szene, wenn sie die Signatur im Buch mit der Unterschrift auf dem Brief vergleicht, mit dem Edwardes sie im ersten Akt bat, zu einem Gespräch mit Garms in sein Behandlungszimmer zu kommen. Auch hier die Verbindung von Garms zu dem falschen Dr. Edwardes. All diese Momente laufen auf die Etablierung des Konflikts zu, der mit ihrer Frage: „Who are you?“[30] begonnen wird. Der falsche Dr. Edwardes spricht dann die Konstellation aus, die den Konflikt beinhaltet, wenn er nun beginnt, sich zu erinnern:
„I remember, now. Edwardes is dead. I killed him and took his place. I’m someone else – I don’t know who – I killed – him – Edwardes.“[31]
Interessant an diesem Dialog sind die kurzen Pausen zwischen killed und him und Edwardes. Es handelt sich um Fragmente, die sich in seinem Kopf zusammen gefunden haben, aber – wie sich später herausstellen wird – nur in Relation zueinander stehen. Hier in Minute 32 wird die erste Grundlage für die Lösung gegeben, die sich in Minute 83 abzeichnet und am Schluss des Films realisiert.
Nach diesem ersten Geständnis bemühen sie sich beide um eine Lösung des Rätsels, der Amnesie und deren möglicher Ursachen. Zunächst handelt es sich um eine kurze Rückbesinnung und Annäherung an das Problem. Bevor sie sich trennen, um ein wenig zu schlafen, bringt sie die Polizei ins Spiel und Dr. Petersen gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sie alles aufklären können, bevor die Polizei sich mit der Sache befasst.[32]
Durch das Auftreten der Sekretärin des wirklichen Doktor Edwardes in Begleitung eines Polizisten, verschärft sich die Situation für den Mann mit der falschen Identität. Die alte Dame hat bei ihrem Anruf, der vor dem Spaziergang von Edwardes angenommen wurde und ein weiteres Irritationsmoment darstellte, bemerkt, dass jemand sich für ihren Chef ausgab. Daher alarmierte sie die Polizei, was die Dynamik der Handlung vorantreibt.
Der Antagonist Dr. Murchinson weis diese Situation für sich zu nutzen, um den Verdacht weiter zu treiben, so dass dieser Mann, der sich für Dr. Edwardes ausgibt auch dessen Mörder von sein muss – dessen Tod zu diesem Zeitpunkt erst ausschließlich befürchtet wird. Dies wiederum bringt Dr. Petersen in Bedrängnis, die ihre persönlichen Wünsche nur mit Hilfe ihrer professionellen Fähigkeiten verwirklichen kann. Die persönlichen Wünsche sind nachwievor auf zwei Bereiche gerichtet: ihre Liebe, aber auch und vor allem die Aufklärung des Geheimnisses. Ihr innerer Konflikt besteht darin, den wirklichen Zusammenhang über die falsche Identität herauszufinden, ohne dabei ihre Profession aufzugeben und bei ihrem Wunsch nach einem modernen Kollegen oder Chef trotzdem ihrem langjährigen, väterlich wirkenden Direktor gegenüber loyal zu bleiben.
„Once Gregory Peck makes his arrival as Dr. Edwardes, the person selected by Dr. Murchinson to replace him at Green Manors, it becomes immediately obvious that the persumed frigidity of Dr. Petersen was more perceived than real. The moment she observes the handsome, soft-spoken Peck, Bergman’s eyes become alive with electricity. One penetrating close-up is all viewers need to see to know she has found a man who definitely strikes her fancy.
When the staff members sit down together for lunch, to get aquainted with the sanitarium’s new director, an element of conflict is presented. This is the established norm for a Hitchcock romantic relationship – the aura of mystery, the prusuit of romance amid a sea of conflict. Petersen learns immediately that ‚Dr. Edwardes‘ is a troubled young man when she makes some lines on a napkin during a friendly luncheon conversation. As soon as he observes the indentations she makes with her fork his face becomes riddled with tension. She does not become angry and does not appear notably surprised. Here is a thorough of professional who realizes that something is wrong, which intrigues on her, on top of which she is motivated by her attraction toward the sensitive and highly vulnerable newcomer.“[33]
Während Dr. Murchinson geschickt den falschen Dr. Edwardes unter Mordverdacht bringt, ist dieser bereits aus der Klinik geflohen.
Auch der Umschlag der Handlung ist wie die Etablierung des Konflikts für aufmerksame Zuschauer gut erkennbar, falls man sich von der Liebesgeschichte nicht einwickeln lässt.
Der Moment der Erkennung (Anagnorisis) und der Umschlag der Handlung (Peripetie) sind hier, wie so oft, eng miteinander verbunden, liegen nahe beieinander.[34] Nachdem Constance Petersen mit Hilfe des Hoteldetektivs den Vermissten ausfindig machen konnte, wird die Liebe zwischen beiden zunächst bestätigt – auch wenn sie betont, nur als seine Ärztin gekommen zu sein. Nach einer ersten Umarmung beginnt sie eine Analysesitzung mit ihm.
Der Moment der Erkennung ereignet sich in Minute 48, wenn JB über die Logik der Situation nachdenkt – ein netter Wink von Autor und Regie. Denn gleich anschließend liest er aus der Zeitung den Bericht über sich und den wirklichen Dr. Edwardes vor und schlussfolgert, dass er der Letzte gewesen sein muss, der mit Dr. Edwardes zusammen war, da er ja sonst nicht seine Identität angenommen hätte.[35] Die eigentliche Erkenntnis liegt jedoch bei Dr. Petersen, die (richtigerweise) annimmt, dass ein Schuldgefühl ihm die Sicht versperrt und er deswegen Dinge imaginiert, die so nicht stattgefunden haben – wie bereits Garms am Anfang der Filmerzählung.
„Don’t you see that you’re imagining all this? You call yourself names. You insist without proof, that you’re a murderer.
(she smiles at him)
You know what that is, don’t you? Whoever you are – it’s a guilt complex that speaks for you – a guilt fantasy that goes way back to your childhood.“[36]
Und sie erkennt, dass er einen Unfall erlitten hatte. Nun sieht sie eine Chance, sein Gedächtnis zurückzuholen und drängt ihn das erste Mal rücksichtslos, sich zu erinnern. Sie insistiert so lange, bis er fast in Ohnmacht fällt, was sie als gutes Zeichen wertet.
Gleich darauf warten Hitchcock und Hecht mit einem tollen Ablenkungsmanöver auf: bevor sie weiter in ihn dringen oder mehr in Erfahrung bringen kann, erscheint der Hotelboy mit der Abendzeitung, in der gleich obenauf eine Fahndung nach ihr mit ihrem Foto veröffentlicht ist, was der Hotelboy unübersehbar registriert. Nun drängt sie zum sofortigen Aufbruch. Obwohl dieser Aufbruch in die Flucht vor Hausdetektiv und Polizei verpackt ist, stellt diese gesamte Situation den Umschlag der Handlung dar.[37] Denn konnte sie bis dahin nur reagieren und Vermutungen anstellen, ist sie sich jetzt sicher, dass er ein Trauma erlitten hat, dass seine Erinnerungen verschoben und verborgen hat. So, wie sie ihn bereits im Hotel gedrängt hat, sich zu erinnern, so zwingt sie ihn am Bahnhof, sich den Kauf der Fahrkarten ins Bewusstsein zurück zu holen – obwohl er sich wehrt und der Verkäufer bereits ungeduldig wird. Ab der Szene, die auf die Diskussion des Zeitungsartikels folgt, steuert Dr. Petersen den Fortgang der Handlung. Von einer auf die Ereignisse reagierenden Person wird sie zu einer Person, die die Ereignisse vorantreibt, Situationen provoziert und dafür auch selber aktiv handelt.
All dies führt – nach weiterer Steigerung der Spannung und einigen dramaturgisch geschickt geführten Verwicklungen – von der zurückgeholten Erinnerung des sich seiner wieder erinnernden John Ballantine, hin zur Aufdeckung des Geheimnisses, zum Happy End der Liebesgeschichte und zur Überführung des wirklichen Mörders durch die Protagonistin. Dies gelingt ihr, nachdem Dr. Murchinson sich in seiner väterlichen Überlegenheit ihr gegenüber verraten hat, wenn er sagt: „I knew Edwardes only slightly.“[38] Ihr wird kurz darauf die Bedeutung dieses Satzes bewusst. So holt sie aus ihrem Zimmer die Notizen, die sie sich von dem Traum John Ballantines von Dr. Edwardes gemacht hat und geht zurück zum Wohnbereich des Direktors, in dem nun wieder Dr. Murchinson wohnt. Hier gibt es eine Wiederholung der entsprechenden Einstellung aus dem zweiten Akt:
„The camera goes up the stairs, showing her viewpoint. Again our eyes become level with the upper floor and we see the light under Murchinson’s door. The same light we saw when she went up to Edwardes‘ room.“[39]
Auch dieses Mal hat sie ein Hilfsmittel dabei, um das Gespräch auf die Lösung des Geheimnisses bringen zu können. In der Situation zu Beginn des Films war es das Buch des richtigen Edwardes, das beinahe zu der Frage nach seiner Identität geführt hätte, wenn es den Ausbruch des Patienten nicht gegeben hätte. Jetzt hat sie den Schlüssel zur Identität des Mörders in der Hand – mit dem sie Murchinson direkt hätte konfrontieren können.
Doch im Sinne des Rhythmus‘ und auch der Wertschätzung des Publikums lassen Hitchcock und Hecht die Protagonistin den Traum detailiert in das Ereignis, das es aufzuklären galt, übersetzen. Sie ziehen die Spannung noch einmal an, wenn Petersen in diesem Dialog die Sprache auf die Waffe bringt, die sie am Fuß eines Baumes in der Nähe des Tatortes vermutet, die aber Murchinson nun aus dem Schubfach seines Schreibtisches holt. Die Protagonistin jedoch lässt sich nicht bedrohen, sie ist eine professionelle Psychoanalytikerin und eine kluge, selbstbewusste Frau, wenn sie sich von dem Mörder nicht einschüchtern lässt und ihn davon abbringen kann, sie zu erschießen.
Es ließe sich noch auf Bild- und Musikdramaturgie eingehen, weitere Szene in ihrer impliziten wie expliziten Bedeutung diskutieren, aber dies würde den Rahmen eines Blog-Textes sprengen. Vielleicht macht der Text Lust auf einen erneuten Genuss dieses gut gebauten Films und gibt einen Schlüssel zum Verständnis, dass schon 1944 eine gute Liebesgeschichte nicht unbedingt eine Frau entmündigt oder vor die Entscheidung zwischen Beruf und Liebe gestellt hat, sondern ein attraktive Möglichkeit bieten kann, eine spannende Geschichte mit einer interessanten weiblichen Hauptfigur zu erzählen, wie sie hier von Ingrid Bergman verkörpert wurde.
[4] Vgl. Stutterheim und Kaiser 2011
[9] Vgl. Spoto 2008, S.97
[13] Vgl. Stutterheim und Kaiser 2011, S.157-160 und Stutterheim 1990
[14] vgl. Stutterheim und Kaiser 2011
[15] Stutterheim und Kaiser 2011, S.143 und S.348
[16] Aus: Shakespeare: Julius Cäsar.
[17] Hare 2007, S.105/106
[18] Stutterheim und Kaiser 2011, S.92/93
[19] Hecht 1944, S. 11 (Bild 26) Minute 11
[22] Stutterheim und Kaiser 2011, S.350
[25] Hecht 1944, S. 27, Minute 22
[27] Wie sich gerade in einer Dramaturgie-Arbeit für mich überraschend erwiesen hat. Das mag daran liegen, dass die Kunst des gut gebauten Erzählens nur noch sehr selten in deutschen Film- und Fernsehproduktionen zu erleben ist und die jungen Filmschaffenden heute wenig Erfahrung mit dieser Art des Erzählens haben.
[28] Eine ausführliche Analyse wird zu lesen sein in: Stutterheim 2014
[29] Hecht 1944, S. 31 (Bild 80); Minute 26
[30] Hecht 1944, S. 37 (Bild 100) 31:50
[31] Hecht 1944, S. 37 (Bild 103)
[34] Vgl. u.a. Stutterheim und Kaiser 2011, S.74
[35] Hecht 1944, S.58/59 (Bild 173), Minute 48/49
[37] Auf Seite 62 von 129 Seiten beziehungsweise Minute 50 von 110
[39] Hecht 1944, S. 123
Literaturverzeichnis
Hare, William (2007): Hitchcock and the methods of suspense. Jefferson, N.C: McFarland.
Hecht, Ben: Spellbound. Los Angeles 1944. Gebundenes Manuskript.
Kindermann, Heinz: Theatergeschichte Europas. Band 7: Realismus. Salzburg: O. Müller.
Spoto, Donald (2008): Spellbound by beauty. Alfred Hitchcock and his leading ladies. London: Hutchinson.
Stutterheim, Kerstin (2014): Dramaturgie in Film, TV und Game. Vom Geheimnis des Erzählens. 1. Aufl.: Peter Lang Verlag.
Stutterheim, Kerstin D.; Kaiser, Silke (2011): Handbuch der Filmdramaturgie. Das Bauchgefühl und seine Ursachen. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Lang.
Stutterheim, Kerstin (1990): Henrik Ibsen und das pièce bien faite. Berlin.
Truffaut, François; Fischer, Robert; Grafe, Frieda; Patalas, Enno; Scott, Helen G. (2007): Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? 4. Aufl. München: Heyne.
Walker, Michael (2005): Hitchcock’s motifs. Amsterdam: Amsterdam University Press.