Monatsarchiv für Oktober 2015

 
 

AS IF WE WERE SOMEBODY ELSE – Director’s Note von Christine Lang

Premiere auf den Internationalen Hofer Filmtagen 20.-25.10.2015 


„Das Melodram ist das Drama der Normalisierung jener unwichtigen, irrelevanten, unsichtbaren Leben: Geschichten der normalen Menschen und nicht der Helden.“ (Maria Muhle)

Mädchenfreundschaften sind strukturiert wie Liebesbeziehungen, mit allem, was dazugehört – auch Eifersucht, Neid und Enttäuschung

ROLLENSPIEL

Ein zentraler Ort für das Ausprobieren von Rollen ist die Umkleidekabine. Es ist gleichermaßen ein Ort der Intimität und der Imitation  – ein Identitäten-Versuchslabor.

Der Spiegel in der Umkleide evoziert eine Leinwand, die der Selbstfiktionalisierung dient. Der Blick, der sich dabei auf sich selbst richtet, ist fremdgeleitet – er ist immer auch der angenommene Blick der anderen – und des „großen Anderen“.

AS IF Still 1 Umkleide

AS IF Still 2 Partybeginn mit Vorhang neu

DER ROTE VORHANG

VORBILDER SIND BILDER, DIE VORWEGNEHMEN WAS NOCH NICHT IST

Eine Party in der Welt der Jugendlichen ist weniger ein Vergnügen, sondern eine Bühne, auf der es sich zu erproben gilt. Im ständigen Bemühen um Identität und Anerkennung erzeugt man einen sich selbstbeobachtenden Blick, dem man durch angenommene Posen zu entsprechen versucht:

„Der interpersonale Blick vollzieht sich als ein Geschehen, durch das einem Ich gespiegelt wird, wie es einen anderem erscheint.“ (Eva Schürmann)

SPIELREGELN

Das Trinkspiel ist eine soziale Aktion, eine Art Initiationsritual. Wer in den Kreis aufgenommen werden will, muss mitspielen. Wer sich widersetzt, wird zu Fall gebracht.

Das blaue Shirt

AS IF Still 4 Nike im Park

DAS BLAUE SHIRT

Mit MODE geht es auch darum, eine Identität herzustellen, die man gar nicht hat. Der Akt ein Shirt zu kaufen ist mit der Hoffnung verbunden, dass es aus einem ‚etwas‘ und ‚jemand anderen‘ machen kann.

Durch Mode und Dinge, Accessoires und Brands werden Identitäten aber auch Beziehungen und Bindungen gelenkt; jedoch kann so ein Shirt nicht die Aufgabe lösen, die darin besteht, eigene „Prinzipien des Handelns“ (Hannah Arendt) zu entwickeln. Denn im Handeln ist doch jede/r für sich selbst verantwortlich – wie auch Nike ahnt.

Ein rein künstlich produziertes Selbstbild wird angesichts von Handlungsschuld – wie sie auch aus Unterlassung entstehen kann – zwangsläufig einfach in sich zusammenfallen.

AS IF Still 5 Turnschuhe

(Trailer)

Die Handlungsohnmacht ist das Thema, dessen sich das MELODRAM annimmt. Zudem setzt sich der Begriff Melodram aus den griechischen Wörtern für ‚Lied‘ und ‚Handlung‘ zusammen. MUSIK bietet performative Identitäten an; sie schreibt sich in die Körper ein, sie formiert und codiert die Art sich zu bewegen, auf der Bühne zu erscheinen – und einen Schein zu produzieren.

ES IST ALS OB EIN FREMDER GEIST DURCH EINEN KÖRPER IN DIE DER ANDEREN FÄHRT

AS IF Still 7 Jess tanzt AS IF Still 8 Gelb

GELB TANZEN

„Musik, zumal die elektronische in AS IF WE WERE SOMEBOY ELSE, erzählt nicht in erster Linie, sondern akzentuiert. Dies gilt im Grunde auch für den Film insgesamt, der mit Gesten und Insignien, mit Ritualen und Sprachfärbungen an das Geheimnis rührt, das die Jugendlichen sich und einander sind.“ (Bert Rebhandl)

(gesamter Text von Bert Rebhandl)


Kurzfilm 2015, 23 Min. / BUCH & REGIE Christine Lang / DREHBUCHBERATUNG Harun Farocki, Charley Reincke / DRAMATURGIE Dirk Lütter, Kerstin StutterheimKAMERA Dirk Lütter / MONTAGE Jihyeon Park / MUSIK They Just Strut, Robot Koch, El Diablo feat. Mal Irie, Brero, The Bassist / SZENENBILD Sebastian Demuß / KOSTÜMBILD Angelika Götz / CAST Esther Spille, Holly Becker, Gizem Emre, Roabi Abdelgader, Anton Hinrichsen, Bjarne Meisel

Eine Produktion der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und Christine Lang / Gefördert durch: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien