Trap Music in SPRING BREAKERS – von Christine Lang
In der Electronic Dance Music (EDM) erscheinen pro Woche bis zu viertausend neue Tracks, darunter alleine in einem einzigen Subgenre wie Dirty Dubstep/Trap/Grime etwa hundertvierzig. EDM ist vor allem DJ-Musik, die sich in stetig fusionierende und damit neu entstehende Subgenres unterteilt, die einer Dynamik der Ansteckung (Steve Goodman) folgen. Manche Styles haben nur eine kurze Blütephase – z.B. Bassline oder Moombahton – manche aber werden groß. Einer der großen Styles des neuen Jahrtausends war Dubstep und seine Nachfolgerin scheint derzeit Trap zu werden.
Trap ist so etwas wie der neue Rave, die zugespitzte Variante dessen, wofür M.I.A. und Diplo den Boden bereitet haben. Es geht darin um die Vereinnahmung der Musik des Black Atlantic mitsamt seinen Signature-Sounds wie Pistolenschüssen, MC-Shouts und eben Basslines – aber auch des dazugehörigen Booty Dance – und deren Überführung in die Kulturlogiken der überwiegend weißen Musikstile Rock und Metal. In den USA füllen sich zur Zeit Hallen mit feiernden Kids, die zu basslastigen Roland-TR-808-Hymnen abfeiern. Die Signature Tracks für diese Dancemusic der Gegenwart sind Baauer’s deeper, dabei comic-hafter “Harlem Shake”, der es 2013 zu einen viralen Internet-Musikvideophänomen gebracht hat, oder Skrillex’ “Scary Monsters and Nice Sprites”, der mit seiner Scratch-Soundästhetik, dem crazy Sägebass und der weltumarmenden kitischig-kreischenden Kinderliedmelodie als Titeltrack von Harmony Korines SPRING BREAKERS (2012) außerhalb der Clubkultur Karriere machte.
Trap ist so etwas wie der delokaliserte Nachfolger aller Global-Ghetto-Styles, der einerseits an Südstaaten-Rap aber vor allem an den ursprünglich in UK entstandenen, dann aber global gewordenen Dubstep anschließt. Im Unterschied zu Dupstep ist Trap, ähnlich wie dessen kleiner Bruder Brostep, weniger basslastig, und damit nicht auf die Leistungsfähigkeit lokaler Bassboxen/Soundsystems angewiesen; die sägenden Mitten in Trap klingen auch auf Smartphones und Computerboxen noch heavy genug.
Trap ist vor allem Gebrauchsmusik für den Dancefloor, es gibt keine Vinyl-Releases mehr – so wie das im Dubstep durchaus noch zum guten Ton gehörte – und keine Musikvideos. Bestenfalls werden passende Bilder zu den Tracks von den Hörern selber produziert – so wie im Fall “Harlem Shake” – oder man hat das Glück, als „das“ paradigmatische kulturelle Phänomen der Gegenwart erkannt zu werden, zum Beispiel von dem mit einem besonderen Gespür für Underground-Codes und popkulturelle Distinktion ausgestatteten Harmony Korine. Sein Film SPRING BREAKERS ist nicht nur eine Hommage an einen Trap/EDM-Exzess auf inhaltlicher Ebene, sondern eine filmische Anverwandlung: der Film dreht das filmmusikalische „Mickey-Mousing“, bei dem Musik punktgenau an den Film angepasst wird, quasi um und passt sich formal-strukturell an die Ästhetik von EDM an: In Spring Breakers gibt es Loops und Patterns, Wiederholungen und Schleifen, es gibt eine Ästhetik des Scratchens, des Auf-der-Stelle-Tretens. Und all das dient dem bombastischen, ozeanisch-großen Gefühl. Dieses Gefühl zählt mehr als filmische Bedeutungskonstruktionen; denn Handlung und Suspense werden in Spring Breakers nur noch zitiert, aber nicht mehr ausgeführt. Dieses Vermeiden von Handlunsgsgeschehen entspricht dem Hinauszögern der Hooklines in “Scary Monsters and Nice Sprites”; beides dient der Steigerungslogik des ultimativ Exzessiven. Und vielleicht ist gerade der Exzess eine der wenigen ästhetischen Strategien, die in Zeiten der Zweckrationalität und neoliberalen Selbstoptimierung noch echtes utopisches Potential in sich tragen – was wiederum Trap und SPRING BREAKERS zur einer der interessantesten Avantgarden der Gegenwart macht.
Der Text erschien im März 2014 in CARGO#21