Theatralität in GAME OF THRONES

GAME OF THRONES ist eine Serie, die ungewöhnlich wirkt. Analysiert man die Serie nach ästhetischen und dramaturgischen Kriterien, kommt man auf ein breit gefächertes Spektrum von Aspekten, die in ihrer Gesamtheit die Attraktivitaet der Serie ausmachen. Begleitend zur 7ten Staffel werde ich hier im Verlauf der naechsten Wochen weitere kurze dramaturgische Anmerkungen veröffentlichen.

Einer der Unterschiede, die zu der besonderen Wirkung der Serie beiträgt, ist die visuelle Ebene. Und darin eingebettet wiederum ist eine der Besonderheiten das Moment der Theatralität, das hier genutzt wird.

Nicht nur, dass die Gesamterzählung, wie sie bereits in den Romanen von GRR Martin angelegt ist, stark an Henry VI von Shakespeare erinnert, auch viele Charaktere haben ihre Vorbilder in Figuren aus den Königsdramen.

Momente der Charakterzeichnung von Richard III findet sich in jenen Figuren, die das ‘ultimativ’ Böse verkörpern – wie Joffrey Baratheon (Jack Gleeson) oder Ramsey Snow/Bolton (Iwan Rheon), Jaqen H’ghar (Tom Wlaschiha) oder der High Sparrow, the Mountain (Hafþór Júlíus Björnsson) oder Ellaria Sand (Indira Varma). Insbesondere die Beschwörung des ‘Mad King’ verweist auf Richard III., wenn dessen Befehl “Kill them all” und als Variante „Burn them all!“ mehrfach als Drohung wiederholt wird.

Insbesondere jedoch ist es die Form der Inszenierung im Bild, die hier eine Besonderheit darstellt und erreicht. Zwei Aspekte dessen möchte ich hier kurz umreissen:

Zum einen ist es das Arrangement der Räume und die Choreographie der Figuren im Raum. Häufig werden bühnenhafte Raumsituationen hergestellt. Sicher, Throne und Herrschaftssitze sind auch historisch erhöht angelegt und erreichen diese Wirkung. Dieser Aspekt wird im Set-Design entsprechend gestaltet. In der Inszenierung und der Kadrage der Situationen wird die buehnenhaftigkeit jedoch unterstrichen und auch in Szenen ausgespielt, in denen es keine tatsächliche Thron-Situation gibt. Sehr oft sprechen Charaktere von erhöhten, bühnengleichen Orten zu einem Publikum — wie zum Beispiel Theon Greyjoy (Alfie Allen) waehrend der Belagerung von Winterfell von dem hölzernen Podest zu seinen Männern. Selbstverständlich wird im Thronsaal in Kingslanding stets eine Bühnensituation hergestellt – sei es während des Dialogs von Cersei Baratheon (Lena Headey) und ihrem Bruder Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau), in welcher der Thronsaal als Proszenium fungiert; oder in den vielen Situationen, wo vom Thron zum Volk gesprochen wird. Das Arrangement von Proszenium und Publikum besteht jedoch bereits in der Anfangsszene, wenn der junge Späher Will in die Schneegrube schaut, in der für ihn eine Szene arrangiert wurde. Eine weitere Proszenium-Szene ist die der Hochzeitsfeier von Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) und Khan Drogo (Jason Momoa). Turnierkämpfe und auch Schlachten sind entsprechend inszeniert. Man mag einwenden, dass dies naheliegende Situationen sind. Dennoch kann man hier eine Form der Bildkomposition und Blickkonstruktion erkennen, die auf Theatertraditionen verweist und durchgängig fuer die Gestatlung genutzt wird.

Ein weiterer, der zweite hier zu erwähnende Aspekt, besteht in der Inszenierung von Auf- und Abtritten. Das filmische Erzählen hat sich über die letzten Jahrzehnte weiter entwickelt, ist schneller geworden, hat zu effektiven wie affektiven Schnitttechniken geführt, die möglichst ökonomisch mit der Erzählzeit umgehen. Dies hat dazu geführt, dass man nicht mehr zwingend zeigt, wie Personen in ein einen Ort hineinkommen, ein Zimmer betreten oder es wieder verlassen. Gänge über ein Gelände werden verkürzt und so weiter. Anders in Game of Thrones – hier werden Auftritte und Wege zelebriert. Charaktere betreten Räume und gehen mehrere Meter ohne straffende Gegenschnitte. Dies gibt als Stilprinzip der Serie eine besondere Dynamik, die der Situation im Theater entsprechend auch einen körperlichen Mit-Effekt entstehen lässt. Indem unser Körperbewusstsein, das des Publikums, bestätigt wird, entsteht auch so eine emotionale Nähe zu den handelnden Figuren.

 

Dieser Beitrag ist eine kurze Zusammenfassung entsprechender Abschnitte in “Game of Thrones sehen – Dramaturgie einer Fernsehserie” (Fink/Brill 2017)


 
 
 

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